Institut für Historische Theologie

Dissertationsprojekte

Täufertum und Pietismus als Herausforderung für Obrigkeit und Kirche in Bern 1700-1720 (Philippus Hendriksen)

 

Die Zeit um 1700 ist für die Geschichte des Christentums in der Schweiz auch eine Phase des Umbruchs. Politische und soziale, wirtschaftliche und kirchlich-religiöse Enttäuschungen verbanden sich mit der Sehnsucht nach neuer Sinngebung und der „Hoffnung auf bessere Zeiten“ zu oft innovativen, teils auch oppositionellen, immer breitere Kreise erfassenden Bewegungen. Mit dem Täufertum und dem Pietismus lassen sich an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in Bern zwei Beispiele solcher religiöser Bewegungen beobachten, die mit einer Stärke und einem Profil auftraten, dass sie beide von Obrigkeit und Kirche vehement bekämpft wurden.

Durch das räumlich und zeitlich gemeinsame Auftreten von Täufertum und Pietismus können am Beispiel Berns Konvergenzen und Divergenzen, aber auch die Interaktionen und Interdependenzen zwischen diesen beiden europaweit bedeutsamen Bewegungen auf eine Weise verglichen werden, wie das andernorts kaum möglich ist. Für die turbulenten Jahre zwischen 1700 und 1720 sind beide Bewegungen in Bern allerdings noch kaum eingehender untersucht worden. Da in der bisherigen Forschung Täufertum und Pietismus je für sich studiert und entsprechend eigene Forschungstraditionen ausgebildet wurden, soll ein stärker komparativer Ansatz zum Zug kommen.

Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, in der genannten Zeit die Ereignisse, die Argumentationslinien und die Verhaltensweisen von politischer und kirchlicher Obrigkeit sowie von kirchlichen und ausserkirchlichen Dissidentengruppen zu erforschen. Untersucht wird, wie in einer gesellschaftlich umbrechenden Zeit etablierte politische, gesellschaftliche und religiöse Kreise mit abweichenden Minderheiten umgingen (und umgekehrt) und welche Rolle Religion im Rahmen solcher Transformationsprozesse einnehmen konnte. Damit greift das Projekt eine Reihe von wiederholt formulierten Desideraten der neueren internationalen Forschung auf und versucht zugleich, eine immer wieder beklagte Lücke in der Kenntnis der schweizerischen Kirchen-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte zu schliessen.