Dissertationsprojekt von Steffen Götze
Die Bestimmung des Menschen (Johann Joachim Spalding) ist ein zentraler Arbeitsschwerpunkt in der intellektuellen Welt des 18. Jahrhunderts. In Philosophie, Theologie und Dichtung steht die Frage danach im Zentrum, was es mit dem Menschen auf sich hat und wie sich das Menschsein in aufgeklärten Zeiten neu beschreiben lässt. Für die Theologie bringt dies die Herausforderung mit sich, ihre überkommenen anthropologischen Deutungsmuster zu hinterfragen.
Gotthold Ephraim Lessing, Pfarrerssohn, gescheiterter Student der Theologie und Klassiker der deutschen Literatur ist Zeitgenosse dieser Umformung des christlichen Denkens (Emanuel Hirsch) und nimmt selbst an ihr teil. Das Dissertationsprojekt will sich Lessings Werk mit einer theologischen Perspektive nähern. Grundlegend ist die Wahrnehmung, dass theologische und religionsphilosophische Themen Lessing sein Leben lang beschäftigt haben und dass seine Texte religiös grundiert sind. Im Längsschnitt durch das vielgestaltige Werk sollen Aspekte seiner Anthropologie herausgearbeitet werden. Um dem episodischen und dialogischen Charakter der exemplarisch ausgewählten, zu analysierenden Texte gerecht zu werden, soll besonders die Zeit- und Ortsgebundenheit verschiedener Ideen sowie der Facettenreichtum seines Denkens ans Licht gestellt werden. Hierfür wird der ideengeschichtliche Kontext von Lessings Werken, der Denkraum, in dem er sich bewegte, ausführlich Berücksichtigung finden.
Als Leitfaden für die Untersuchung dienen der Sündenbegriff sowie das Dogma der Erbsünde. Während manche seiner Zeitgenossen gewillt sind, diesen harten Kern christlicher Selbstdeutungskultur (Georg Raatz) preiszugeben, bezieht Lessing Gehalte des Lehrstücks verschiedentlich in sein Werk ein. Auf diese Weise stellt er oft spielerisch nach wie vor gültige Aspekte der christlichen Sündenanthropologie heraus ohne traditionalistisch am Buchstaben von Schrift oder Dogma zu kleben. Hieran zeigen sich exemplarisch Lessings Perspektive auf den Menschen sowie seine Haltung gegenüber dem Christentum und sein Umgang mit dessen überkommenen Traditionsbeständen.